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"Die Gemeinde Engelskirchen und der Kultursalon Engelskirchen präsentieren eine faszinierende Reise durch die kreative Welt von Wibke Brode. Die renommierte Künstlerin und erfolgreiche Grafikdesignerin Wibke Brode lädt Kunstliebhaber zu ihrer neuesten Ausstellung „Zufall und Willkür“ ein.

 

Die beeindruckende Schau zeigt eine facettenreiche Sammlung abstrakter Gemälde, die sich durch kraftvolle Farbkompositionen und vielseitige Techniken auszeichnen. Die Werke entstehen durch einen ungeplanten, experimentellen Einsatz von Farben und Materialien, der ihnen Lebendigkeit verleiht. Brodes positive Einstellung und ihr tiefes Vertrauen in den kreativen Prozess ermöglichen es ihr, sich dem Unvorhersehbaren hinzugeben und neue künstlerische Wege zu erkunden.

 

Jedes Bild birgt eine Überraschung, denn es kann entweder einen bereits begonnenen Weg fortsetzen oder ganz neue Wege einschlagen. Diese Werke entwickeln im wahrsten Sinne des Wortes ein Eigenleben, da sie sich in einem kontinuierlichen Prozess der Entwicklung, des Wachstums und der Veränderung befinden. Eine organische Komposition bevorzugter Farben vereint die Vielfalt der Techniken und Materialien zu einem harmonischen Gesamtbild.

 

Der Zufall spielt im letztlich willkürlichen kreativen Prozess eine entscheidende Rolle. Wibke Brode, geboren 1973 in Köln, ist nicht nur erfolgreiche Grafikdesignerin und freiberufliche Senior Designerin sowie Kreativdirektorin namhafter Agenturen, sondern widmet sich seit über zwei Jahrzehnten auch ihrer künstlerischen Leidenschaft. Ihr breites Werkspektrum umfasst abstrakte Ölgemälde, Collagen und beeindruckende Objektkunst. Seit 2020 ist die Künstlerin, die für ihre Arbeiten bereits mehrfach international ausgezeichnet wurde, in Engelskirchen ansässig."

Anke Ahle

Vernissage im Rathaus Foyer Engelskirchen

Sonntag, 29. Oktober 2023  16:00 Uhr

Rathaus Foyer Engelskirchen

Engels-Platz 4

51766 Engelskirchen

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Laudatio von Anke Ahle

 

 

Liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde,

Ich freue mich sehr, Sie und euch im Namen des Kultursalons Engelskirchen herzlich zur Ausstellung „Zufall und Willkür“ von Wibke Brode begrüßen zu dürfen, und danke der Gemeinde Engelskirchen als unserem Veranstaltungspartner für die tollen Räumlichkeiten und die gute Organisation.

Liebe Wibke, dies ist deine zweite Einzelausstellung in Engelskirchen, seit du 2021 von Köln nach Ründeroth gezogen bist, und nicht nur die oberbergische Kunst- und Kulturszene bereicherst – Ende August erst sind einige deiner Arbeiten von einer Ausstellung aus Hamburg zurück gekommen. Und schon der Titel macht neugierig auf das, was uns erwartet. Zufall und Willkür, hast du diese Ausstellung kurz und schlicht genannt. Aber wer dich und deine Arbeiten ein wenig kennt, der hört sofort den Subtext. Denn diese beiden Begriffe haben so viele Bedeutungsebenen, dass wir unmittelbar in eine existenzphilosophische Diskussion abtauchen könnten.

Zufall, was ist das eigentlich, und gibt es ihn überhaupt?

Doch wichtiger, als den Begriff zu erörtern, ist es für Künstlerinnen und Künstler, sich das Phänomen zunutze zu machen. Deshalb hat die Idee, den Zufall zum Bestandteil des Arbeitsprozesses machen und als Inspiration nutzen, kunsthistorisch schon eine lange Tradition.

Max Ernst zum Beispiel entwickelte um 1925 die sogenannten aleatorischen Verfahren gegen die Angst vor der leeren Leinwand. Das sind Farbabklatsch- oder Kratz- oder Rubbeltechniken, bei denen ein eher zufälliges Ergebnis herauskommt. Und noch weit vor ihm, schon um 1500, empfahl Leonardo da Vinci, einen farbgetränkten Schwamm gegen die Wand zu werfen, um in den Zufallsgebilden Landschaften, Gesichter und Figuren zu entdecken. Und wir alle kennen es, an einem blauen Tag in den Himmel zu schauen, und in den vorbei ziehenden, sich stetig verändernden Wolkenformationen immer neue Gestalten, Schemen und Fantasiegebilde zu suchen.

„Aber das ist doch keine Kunst, wenn alles dem Zufall überlassen ist. Dann könnte das ja jeder.“ So, oder so ähnlich, höre ich förmlich den sarkastischen Einwand einiger Menschen, die der abstrakten Kunst skeptisch gegenüber stehen. Und genau deshalb steht dieser scheinbaren Beliebigkeit des Zufalls der Begriff der Willkür gegenüber. Denn Willkür, so habe ich es verstanden, ist nicht die Willkür des Schicksals - das wäre ja dasselbe wie Zufall in anderen Worten. Nein, die Willkür beschreibt das Handeln der Künstlerin nach eigenem Gutdünken, aus freiem Willen. Die Kunst entsteht somit in genau diesem Spannungsfeld, in einem ständigen Dialog. Oder, um es salopp auszudrücken, in einer Art Ping-Pong-Spiel: eine zufällig entstandene Farbe oder Struktur macht den Aufschlag, dann reagiert die Künstlerin darauf, indem sie diese verwischt, eine weitere Farbe darauf gibt, ein neues Material hinzufügt, dann kommt wieder der Zufall, der darüber bestimmt, wie die Materialien sich miteinander verbinden, und so weiter, und so weiter.

Als wir darüber gesprochen haben, wie deine Kunstwerke entstehen, liebe Wibke, hast du mir gesagt, dass du einfach loslegst, mit einer wilden Mischung von Farben und Materialien, die so eigentlich gar nicht zum Kombinieren vorgesehen sind. Acrylfarbe, Marmormehl, Epoxidharz, Glassplitter, Hasenleim, Rost, Katzenstreu und Glimmer - und dann wirst du selbst überrascht davon, was passiert, und wie dein nächster Schritt aussehen wird.

Du selbst sagst von dir in vornehmem Understatement, dass du mit deiner Kunst nichts ausdrücken möchtest, sondern die Freude am Gestalten dein Anliegen und dein Antrieb ist. Das glaubt dir jeder sofort angesichts dieser ausgewogenen, Harmonie und Schönheit ausstrahlenden Kompositionen, was wiederum kein Zufall ist. Denn du bist nicht nur freie Künstlerin, sondern auch studierte Grafik-Designerin, und auch darin sehr erfolgreich, wenn ich das nur am Rande kurz erwähnen darf: Wibke hat schon zahlreiche Preise gewonnen und gerade z.B. einen visuellen Auftritt von VW auf der IAA gestaltet. Dieses Wissen um Proportionen, um Farben, um Bildaufteilung, um Sehgewohnheiten, das du schon mehr als ein halbes Leben lang für deine Arbeit nutzt, ist so ein sehr Teil von dir, dass es natürlich auch deine willkürlichen Entscheidungen als Künstlerin prägt.

Und dann hast du noch etwas gesagt, das mich sehr beeindruckt hat, über den Entstehungsprozess deiner Kunst: es geht immer um Vertrauen. Nur, wer von tiefem Vertrauen getragen ist, kann sich auf den Zufall einlassen, die Gunst des Zufalls entdecken, und den Mut zur willkürlichen Entscheidung finden. Egal, was passiert, es wird gut, wenn man darauf vertraut. Auch hier hilft dir das Vertrauen in deine professionelle Expertise. Aber es ist weit mehr als das. Wie schon gesagt, stehen beim kreativen Prozess Zufall und Willkür im Dialog miteinander. Und zum Dialog gehört nicht nur ein beherztes Vertreten der eigenen Positionen, sondern auch ein aktives, zugewandtes Zuhören, um die zarten Nuancen zu erkennen, und die leisen Töne zu hören. Die Farben, das sind ganz und gar deine Farben. Warm, lebensbejahend, orientalisch prachtvoll und präsent. Ein Meer von Rot- und Pinktönen. Farben, die wir mit Weiblichkeit assoziieren, und so facettenreich, wie wir Frauen eben sind. Ich weiß, dass Feminismus ein Thema ist, das dich schon lange intensiv umtreibt. Viel geerdetes Braun und spirituelles Blau. Und dort ganz zarte, helle, sehr feine Bilder, die sich zurücknehmen und doch so viel zu sagen haben.

Beim Mix der Materialien gehst du ein gewisses Risiko ein, indem du den Zufall walten lässt, denn selbst eine versierte Chemikerin könnte wahrscheinlich spontan nicht sagen, was passiert, wenn all das interagiert und miteinander reagiert. Ich sehe hier einen großen Bonus der Kunst gegenüber der Naturwissenschaft, denn sie akzeptiert kein: das geht nicht, oder: das macht man so nicht. Sie bricht mit Regeln und überschreitet Grenzen. Und genau darin liegt der Zauber der Innovation. Aber selbstverständlich unterliegt die Kunst auch den Gesetzen der Natur, und zu welch wunderbaren Ergebnissen das führen kann, wenn man darauf vertraut, dass alles gut wird, möchte ich an zwei Bildern kurz darstellen.

Auf der Staffelei sehen Sie ein Bild in glänzenden Brauntönen, dessen Oberfläche zahlreiche Risse aufweist. Diese sind entstanden durch den Auftrag von Hasenleim und Marmormehl. In der Verbindung entwickelten sich beim Trocknen so starke Zugkräfte, dass es die Leinwand förmlich zerfetzte. Nun hätte man verzweifeln können: das Werk ist zerstört, all die Arbeit umsonst, ich wollte doch keine Skulptur machen! Aber Wibke Brode hat das, was der Zufall mit ihrem Bild gemacht hat, angenommen, hat die Leinwand abgenommen und auf einen neuen Rahmen gespannt. Und so ist dieses Bild entstanden, mit Narben und Rissen, vom Leben gezeichnet, und darum umso stärker.

Oder mein persönliches Lieblingsstück der Ausstellung. Eine Flüssigkeit, die zur Oxidation von Metall dient, lief versehentlich über einen Teil des Bildes und hinterließ eine weiße Spur. Aber was eine Katastrophe hätte sein können, fügte dem Werk durch dieses zeichnerisches Element einen zusätzlichen Aspekt und eine besondere Feinheit hinzu.

Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich mich um die philosophische Anfangsfrage bisher gedrückt habe: was ist eigentlich Zufall, und gibt es ihn überhaupt? Sind wir und die Kunst Teile eines göttlichen Plans, in dem alles vorher bestimmt ist? Oder ist alles, was wir sind und tun, durch naturwissenschaftliche Formeln und Gesetze darstellbar, und anderen Mächte oder Kräfte existieren nicht?

Wir müssen das gar nicht zur Glaubensfrage machen, denn für mich kommt dem Begriff des Zufalls in der Kunst der griechische Begriff kairos am nächsten. Kairos bedeutet Zufall oder Schicksal, aber auch: der glückliche Moment. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Dem richtigen Menschen begegnen. Erkennen, dass der Weg nicht zum Ziel, sondern auf einen neuen Weg führt, und den Schritt wagen - das ist kairos. In der Antike wurde der Gott Kairos als geflügelter Mann mit einer üppigen Haarlocke auf der Stirn und einer Glatze am Hinterkopf dargestellt. Deswegen müssen wir die Gelegenheit beim Schopfe packen. Denn wenn wir den glücklichen Moment verpassen, ist er im Nu vorbei geflogen, und unsere Hand rutscht am kahlen Hinterkopf ab.

Diese Gefahr besteht zum Glück heute für uns nicht, denn wir haben jetzt genug Zeit, um uns die beeindruckenden Werke von Wibke Brode in aller Ruhe anzuschauen, wir dürfen ruhig ein paarmal hin- und her überlegen, welches nun unser Lieblingsbild ist.

Ich danke noch einmal für Ihr und euer Kommen und wünsche uns allen einen Sonntag Nachmittag voller Inspiration und Kulturgenuss.

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